Was ist Stigma?
Als Stigmatisierung wird allgemein die Zuschreibung negativer, abwertender Eigenschaften bezeichnet, die bei den Betroffenen zu einer Diskriminierung führt. So wird z. B. eine Person stigmatisiert, wenn man sie als „Vorbestraften“, „Sozialschmarotzer“, „Krüppel“, „Sandler“, „Psycherl“ usw. charakterisiert bzw. bezeichnet. Stigmatisierung bzw. der Ausdruck der Abwertung von Einzelnen oder Gruppen entsteht, indem die „normale“ Gesellschaft von einer Norm ausgeht, von dieser Einzelne oder diese Gruppe durch ein bestimmtes „negatives“ Merkmal abweicht.
So werden Menschen mit psychischen Erkrankungen als charakterschwach angesehen bzw. ein persönliches Versagen als Ursache der Erkrankung betrachtet. Psychisch krank? Selber schuld! Oft bestehen auch Vorurteile, dass psychisch Erkrankte aggressiv oder gar gewalttätig sind. Diese weit verbreitete Meinung, die zum größten Teil auf Unwissenheit basiert, bewirkt zusätzliche Belastung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und verhindert oftmals, dass sich Betroffene aus Scham und Schuldgefühlen keine professionelle Hilfe suchen.
„Vorurteile erschweren im erheblichen Maß die Diagnostik und Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Sie behindern in erheblichem Maße die Integration von chronisch Kranken in unserer Gesellschaft. In unserer Leistungsgesellschaft ist der Mythos, dass jeder alles erreichen kann, wenn er nur will und sich zusammen nimmt, eine selbstverständliche Annahme, die durchaus auch eine positive Funktion für die Leistungsmotivation hat. Leider auch mit der erheblichen Nebenwirkung der Ausgrenzung derer, die wirklich nicht können. Mit der Nebenwirkung, dass Betroffene ihre krankheitsbedingte Einschränkung, als Charakterschwäche, Willensschwäche, Faulheit etc. erleben. Psychisch Kranke empfinden sich selbst als defizitär, entwickeln Schamgefühle oder andere passive Reaktionsvarianten.“
Quelle: Karl C. Mayer, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, „Vorurteile und die Wirkung in der Medizin“, Heidelberg