Was sind psychische Erkrankungen?
Die hier beschriebenen psychischen Erkrankungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind eine Auswahl aus einer Vielzahl an unterschiedlichen Erscheinungsformen psychischer Störungen.
Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis sind Störungen mit sehr vielfältigen Erscheinungs- und Verlaufsformen. In den meisten Fällen sind es keine – wie fälschlicherweise oft angenommen – chronischen Erkrankungen. Das Vorurteil, schizophrene Menschen hätten eine „gespaltene Persönlichkeit“, ist ebenso falsch. Schizophrene Menschen denken nicht, eine andere oder mehrere andere Personen zu sein (multiple Persönlichkeitsstörung), wie das etwa in der Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde der Fall ist.
Schizophrenen Menschen empfinden zeitweise ein Gefühl, ihrer eigenen Identität nicht mehr sicher zu sein (Ich-Schwäche). So können sie sich von anderen Menschen und ihrem Umfeld nur mehr sehr schwer abgrenzen oder ihre eigene Begrenzung nicht mehr spüren, was oft große existenzielle Ängste erzeugt.
In psychotischen Phasen leben die Betroffenen in einer anderen Realität und verlieren teilweise den Bezug zur tatsächlichen Realität. Wahrnehmungen, das Denken und die Sprache können stark verändert sein. Die Betroffenen können Stimmen hören, Bilder sehen oder Berührungen fühlen, ohne dass es dafür einen entsprechenden Impuls gibt. Der Inhalt des Denkens ist häufig von Wahnvorstellungen (Verfolgungswahn, Beziehungswahn, Beeinträchtigungswahn, Liebeswahn, usw.), Ideen, die von Außenstehenden als unrichtig bezeichnet werden, für den Betroffenen aber oft als unkorrigierbare Wirklichkeit wahrgenommen werden, bestimmt. Manchmal sind die Symptome der Erkrankung nicht so auffallend, die Betroffenen ziehen sich in ihre eigene Welt zurück, vermeiden soziale Kontakte und haben an nichts mehr Interesse.
80.000 Menschen sind in Österreich derzeit betroffen. Es erkranken gleich viel Männer und Frauen, Frauen meist zwischen dem 25.und dem 35. Lebensjahr, Männer häufig im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Eine richtig durchgeführte Behandlung ermöglicht heutzutage einem Großteil der Patienten (80 Prozent) dauerhaft ein Leben außerhalb des Krankenhauses und zumindest zeitweise auch einen Beruf auszuüben.
Jeder von uns hat schon Phasen der Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Freudlosigkeit oder innere Erschöpfung erlebt. Verstimmung und Trauer sind ganz normale Reaktionen der Psyche auf gewisse Ereignisse – eine private Enttäuschung, einen beruflichen Misserfolg, eine Trennung oder den Verlust eines geliebten Menschen. Depression ist nicht, wie umgangssprachlich oft bezeichnet, gleich Trauer. Wer depressiv ist, kann nicht mehr trauern. Er distanziert sich von den eigenen Gefühlen, um Schmerz und Leid nicht mehr spüren zu müssen.
Es scheint, als ob der Betroffene sich durch die Depression „tot stellen“ würde, um sich vor seinen schmerzlichen Gefühlen oder nicht bewältigbaren äußeren Anforderungen zu schützen. Alles erscheint am depressiven Menschen irgendwie erstarrt, ruhiggestellt und verlangsamt, sein Denken, sein Reagieren, seine Mimik, seine Haltung usw. Die Depression wird häufig als „Losigkeits-Syndrom“ bezeichnet, der Betroffene fühlt sich freudlos, energielos, wertlos, schlaflos, appetitlos, interesselos, hoffnungslos. Depressive Menschen haben ein sehr schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Häufig erkranken daran Menschen, die sehr hohe Ansprüche an sich selbst stellen, die herrschenden sozialen Normen meist tief verinnerlicht haben und von der Last gewissenhafter Pflichterfüllung erdrückt werden.
Die Chancen, die jeweiligen depressiven Episoden erfolgreich zu behandeln, sind im Allgemeinen gut. Die Kombination aus medikamentöser Behandlung und Psychotherapie kann vor allem die Dauer und den Ausprägungsgrad der einzelnen Depressionsphasen verringern. Studien zeigen jedoch, dass etwa die Hälfte aller Menschen, die eine depressive Episode erleben, in den darauffolgenden zehn Jahren weitere depressive Symptome zeigen. In manchen Fällen kann auch eine vorbeugende Behandlung erforderlich sein.
So wie die Depression nicht gleich Trauer ist, ist die Manie nicht gleich Glück. Wer wirklich glücklich ist, der braucht nicht manisch zu werden. So wie die Botschaft eines Depressiven lautet: „Ich kann nichts, ich bin nichts, ich mache alles falsch, ich bin an allem schuld, niemand mag mich” so lautet die Botschaft des Manikers im Gegensatz dazu: „Ich kann alles, ich bin großartig, niemand hat mir etwas zu sagen, alle mögen mich”. Beide Zustände können alleine oder abwechselnd auftreten. Die Manie kann als „Bremsversagen” der Seele betrachtet werden. Während in der Depression die Seele in einem Winterschlaf liegt, ist sie in der Manie voll Energie und Tatendrang.
Während der Betroffene sich in der Depression völlig abhängig von anderen Menschen empfindet, ist die Manie ein Anfall von Freiheits- und Unabhängigkeitsgefühlen ohnegleichen, aber auch von quälender Rastlosigkeit. So wie die Depression, ist auch die Manie Ausdruck eines unzureichenden Selbstwertgefühls, doch im Gegensatz zum Depressiven wählt der Maniker den Weg nach vorne, er wirft alle geltenden Normen über Bord und bläht sich bis zur Grandiosität auf. Die Abwertung folgt verzögert durch negative Reaktionen der Umgebung und die unvermeidliche körperliche Erschöpfung.
In Europa erkranken etwa 3% der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer klassischen manisch-depressiven Erkrankung (sogenannte Bipolar-I-Störung). Bezieht man auch andere leichtere Formen der bipolaren affektiven Störung mit ein, erhöht sich der Anteil der Betroffenen auf bis zu 5%. Damit zählt die Erkrankung zu den häufigeren im psychiatrischen Bereich. Da eine bipolare affektive Störung oft nicht erkannt wird, vergehen von der ersten Krankheitsepisode bis zur korrekten Diagnose meist viele Jahre.
Der persönlichkeitsgestörte Mensch lebt in einer permanenten inneren Widersprüchlichkeit, er ist ein Zerrissener zwischen einer schwarzen und einer weißen, einer absolut bösen und einer absolut guten Welt. Seine Identität und Selbstwahrnehmung sind unsicher, seine Stimmungen schwanken ständig, ebenso instabil sind seine Beziehungen, die einerseits von extremer Idealisierung, andererseits von radikaler Abwertung geprägt sind. Da diese Menschen ihre Gefühle nie als konstant und echt erleben können, müssen sie zu Rollen und Masken greifen, eine „Als- ob-Persönlichkeit” aufbauen, die ihnen kurzfristig Halt gibt.
Es gibt eine Vielzahl an Persönlichkeitsstörungen, das Borderline-Syndrom ist nur eine davon. Gleichfalls sind die Probleme von persönlichkeitsgestörten Menschen so vielfältig und schwankend, wie es diese Menschen selbst sind. Die Störung kann sich durch folgende Symptome zeigen: Impulsivität, selbstschädigende Verhaltensweisen, Süchte, Selbstverletzungen, Selbstmorddrohungen, chronisches Gefühl von Leere, unangemessene heftige Wut, depressive Verstimmungen, Angst, fallweise psychotisches Erleben usw. So wie es eine große Bandbreite an Persönlichkeitsstörungen gibt, gibt es auch eine große Bandbreite in den Schweregraden dieser Störungen: Menschen, die sozial gar nicht auffallend sind, bis hin zu solchen, die weder arbeits- noch beziehungsfähig sind. Eine exakte diagnostische Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern ist wichtig.
Angst ist ein normaler Gefühlszustand. Angst warnt vor realen Gefahren und bietet deshalb einen unverzichtbaren Schutz. Angst erfasst den ganzen Menschen und löst seelische und körperliche Reaktionen aus. Bei krankhaften Ängsten nimmt die Intensität des Angsterlebens im Verhältnis zur angstauslösenden realen Situation ein unangemessenes übersteigertes Ausmaß an. Der Betroffene ist außerstande, diese Angstüberflutung abzuwehren. Krankhafte Ängste behindern das Leben. Sie führen zu ständiger Vermeidungshaltung und damit zu sozialer Isolation mit all ihren Folgen. Darum leiden Menschen mit Angststörungen häufig auch an Depressionen. Angststörungen treten oft als zusätzliche Symptome bei anderen psychischen Erkrankungen auf (z.B. bei Schizophrenie und bei Persönlichkeitsstörungen). Am häufigsten treten Angsterkrankungen als Panikstörungen oder Phobien auf, aber auch als Zwangsstörungen.
Panikstörungen äußern sich in Panikattacken, die meist plötzlich beginnen und innerhalb weniger Minuten zu extremer Angst – oft verbunden mit körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Schwindel, Atemnot usw. – anschwellen. Phobien sind situationsbedingte Panikreaktionen (z.B. Angst in geschlossenen Räumen, auf offenen Plätzen, in Menschenansammlungen, beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel, Angst vor Tieren usw.).
Soziale Phobien bestehen in der Furcht vor Beobachtung und Bewertung durch andere Menschen. Eine generalisierte Angststörung ist eine ständige, übertriebene Besorgtheit und Angst, die sich auf reale Lebensumstände bezieht.
Krankhafte Zwänge äußern sich in Vorstellungen, Impulsen und Handlungen, die sich ständig wiederholend aufdrängen und als sinnlos und äußerst quälend erlebt werden. Zwangshandlungen wie Wasch- und Säuberungszwänge, Kontrollzwänge, Ordnungszwänge und Wiederholungszwänge sind Zwangsrituale, die einen Versuch darstellen, vermeintliche Gefahr abzuwenden und Ängste zu beruhigen. Die Erleichterung hält jedoch nur kurz an, sodass die Zwangshandlungen immerwährend wiederholt werden müssen, oft bis zur völligen Erschöpfung. Bei Sammelzwängen werden Gegenstände gesammelt, gestapelt und gehortet, auch wenn sie gar nicht gebraucht werden. Zwangsgedanken sind Befürchtungen, an einem bevorstehenden Unheil schuldig zu werden und der Versuch, dieses Unheil zu verhindern.