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Grenzen setzen: Warum es nichts mit Egoismus zu tun hat
Klare Grenzen zu setzen, ist eine Fähigkeit, die entscheidend zum emotionalen Wohlbefinden beiträgt. Dennoch fällt es vielen Menschen im Alltag schwer, die eigenen Bedürfnisse konsequent zu wahren. Gesunde Grenzen schaffen nicht nur Klarheit und Struktur in beruflichen, familiären und freundschaftlichen Beziehungen, sondern schützen auch vor Überlastung und Stress. In diesem Blogbeitrag wird erklärt, was gesunde Grenzen genau bedeuten, warum es oftmals schwierig ist, „Nein“ zu sagen, und welche konkreten Strategien hilfreich sein können, um eigene Grenzen erfolgreich umzusetzen. Dabei steht vor allem eines im Fokus: das eigene Wohlbefinden nachhaltig zu stärken und psychischer Belastung aktiv entgegenzuwirken. Denn das Setzen von Grenzen ist keine egoistische Handlung, sondern ein fundamentaler Baustein für mentale Gesundheit und Lebensqualität.

Was bedeutet es, gesunde Grenzen zu setzen?
Gesunde Grenzen zu setzen bedeutet, sich selbst und anderen gegenüber klar zu kommunizieren, was man braucht, was man leisten kann – und wo die eigenen emotionalen, physischen oder zeitlichen Kapazitäten enden. Grenzen dienen dabei nicht nur dem Schutz vor Überforderung, sondern sind auch ein Ausdruck von Selbstachtung und Selbstfürsorge.
Ob im Beruf, in der Familie oder in Freundschaften: Wer seine persönlichen Grenzen kennt und kommuniziert, schafft Raum für authentische Beziehungen. Denn Grenzen zu setzen heißt nicht, egoistisch zu sein – im Gegenteil: Es bedeutet, ehrlich zu sich selbst zu sein und anderen gegenüber Klarheit zu schaffen. Das Setzen von Grenzen ist ein zentraler Bestandteil mentaler Gesundheit – es hilft, Erschöpfung und Groll zu vermeiden und das eigene Wohlbefinden zu wahren (Gionta, D. A., & Guerra, D. 2015).
Beim Grenzen setzen geht es nicht nur um das Nein-Sagen, sondern auch um das Ja zu sich selbst: zu Ruhephasen, zu persönlichen Prioritäten, zu dem eigenen Tempo. Grenzen sind ein wichtiger Teil eines integren Lebens. Anders als oft angenommen sind Grenzen keine Mauern, sondern gesunde Markierungen, die Orientierung geben; sowohl uns selbst als auch unserem Gegenüber (Brown 2010).
Warum fällt es vielen schwer, Nein zu sagen?
„Nein“ zu sagen, klingt simpel. Es ist aber für viele eine echte Herausforderung. Oft spielen dabei tief verankerte Glaubenssätze oder früh gelernte Verhaltensmuster eine Rolle. Wer in seiner Kindheit erfahren hat, dass Zuneigung an Leistung oder Anpassung geknüpft war, hat möglicherweise gelernt, die eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen, aus Angst, abgelehnt oder nicht gemocht zu werden. Das Wort „Nein“ auszusprechen, kann für viele Menschen eine Herausforderung sein. Hinter dieser Schwierigkeit verbergen sich oft tief verwurzelte psychologische und soziale Faktoren (Neurolaunch 2024).
- Angst vor Ablehnung
Viele Menschen fürchten, durch ein „Nein“ weniger gemocht oder akzeptiert zu werden. Dieses Bedürfnis nach Zugehörigkeit kann dazu führen, dass man eigene Grenzen überschreitet (Barth 2016). - Schuldgefühle
Ein „Nein“ kann mit dem Gefühl einhergehen, andere im Stich zu lassen oder egoistisch zu handeln. Diese Schuldgefühle sind oft tief verankert und erschweren das Setzen gesunder Grenzen. - Erlernte Verhaltensmuster
In der Kindheit erlernte Glaubenssätze wie „Sei immer hilfsbereit“ oder „Enttäusche niemanden“ können dazu führen, dass man automatisch „Ja“ sagt, selbst wenn es den eigenen Bedürfnissen widerspricht. - Wunsch nach Harmonie
Der Drang, Konflikte zu vermeiden und als freundlich wahrgenommen zu werden, kann dazu führen, dass man sich selbst zurückstellt und Schwierigkeiten hat, „Nein“ zu sagen. - Geringes Selbstwertgefühl
Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl neigen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse als weniger wichtig zu erachten und suchen Bestätigung durch das Helfen anderer, was das Setzen von Grenzen erschwert.

Die Folgen fehlender Abgrenzung: Von Erschöpfung bis zum Burnout
Wer es über längere Zeit nicht schafft, eigene Grenzen zu setzen, läuft Gefahr, sich selbst zu verlieren, sowohl körperlich als auch emotional und mental. Denn ohne Abgrenzung geraten wir schnell in einen Zustand der permanenten Verfügbarkeit: für die Anliegen anderer, für die Anforderungen des Jobs, für gesellschaftliche Erwartungen. Was dabei oft auf der Strecke bleibt, sind Ruhe, Regeneration und Selbstfürsorge.
Fehlende Grenzen führen nicht nur zur Überlastung, sondern auch zu einem Gefühl der Fremdbestimmung. Der eigene Alltag fühlt sich dann an wie eine Abfolge von „Müssen“ statt „Wollen“. Auf Dauer kann dieser Zustand zu innerem Stress führen, der kaum bewusst wahrgenommen wird – aber seine Wirkung zeigt. Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafprobleme, emotionale Gereiztheit oder das Gefühl, „ausgelaugt“ zu sein, können erste Warnzeichen sein (Burisch, 2010).
Langfristig kann chronische Überforderung zu ernsthaften psychischen und physischen Erkrankungen beitragen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Burnout als Folge von anhaltendem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet wurde – mit Symptomen wie Erschöpfung, innerer Distanz zur Arbeit und einem Gefühl verringerter Leistungsfähigkeit (WHO, 2019). Auch Depressionen, Angststörungen oder psychosomatische Beschwerden wie Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Magenprobleme können mit fehlender Abgrenzung zusammenhängen.
Sich selbst zu schützen ist also keine Schwäche – sondern eine Voraussetzung dafür, überhaupt für andere da sein zu können.

Schritt für Schritt zu gesunden Grenzen: Praktische Tipps
- Selbstreflexion: Eigene Bedürfnisse und Grenzen erkennen
Der erste Schritt besteht darin, sich über die eigenen Bedürfnisse, Werte und Grenzen klar zu werden. Fragen wie „Was tut mir gut?“ und „Was belastet mich?“ helfen dabei, persönliche Grenzen zu identifizieren. Diese Selbstwahrnehmung ist entscheidend, um authentische und gesunde Grenzen zu setzen (Nash 2018). - Klare und respektvolle Kommunikation
Sobald die eigenen Grenzen erkannt sind, ist es wichtig, diese klar und respektvoll zu kommunizieren. Verwenden Sie „Ich“-Botschaften, um Ihre Bedürfnisse auszudrücken, z. B. „Ich brauche Zeit für mich, um mich zu erholen.“ Dies fördert das Verständnis und minimiert Konflikte (Mind UK. 2021). - Konsequenz und Durchsetzung
Das Einhalten der gesetzten Grenzen ist ebenso wichtig wie deren Kommunikation. Seien Sie konsequent und lassen Sie sich nicht von Schuldgefühlen leiten. Konsequenz zeigt anderen, dass Sie Ihre Grenzen ernst nehmen und fördert langfristig respektvolle Beziehungen. - Umgang mit Widerstand und Schuldgefühlen
Es ist normal, auf Widerstand oder Schuldgefühle zu stoßen, wenn man neue Grenzen setzt. Akzeptieren Sie diese Gefühle als Teil des Prozesses und erinnern Sie sich daran, dass das Setzen von Grenzen ein Akt der Selbstfürsorge ist. Mit der Zeit wird es leichter, diese Gefühle zu bewältigen (Therapist Aid, 2024). - Regelmäßige Überprüfung und Anpassung
Grenzen können sich im Laufe der Zeit ändern. Es ist wichtig, regelmäßig zu überprüfen, ob Ihre Grenzen noch zu Ihren aktuellen Bedürfnissen passen, und sie gegebenenfalls anzupassen. Dies fördert die persönliche Entwicklung und das Wohlbefinden.
Grenzen setzen im Alltag: Beispiele aus Beruf, Familie und Freundeskreis
Das Setzen gesunder Grenzen ist ein wesentlicher Bestandteil der Selbstfürsorge und trägt maßgeblich zur psychischen Gesundheit bei. Im Alltag begegnen uns zahlreiche Situationen, in denen klare Grenzen notwendig sind, um Überforderung, Stress und Konflikte zu vermeiden. Hier sind einige Beispiele aus verschiedenen Lebensbereichen:
Beruf
Im Arbeitsumfeld kann das Setzen von Grenzen helfen, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben zu wahren. Es ist etwa wichtig, klare Arbeitszeiten zu kommunizieren und Überstunden nicht zur Regel werden zu lassen. Die American Psychological Association betont, dass das Festlegen von Grenzen am Arbeitsplatz dazu beiträgt, Stress zu reduzieren und die Produktivität zu steigern (APA, 2025).
Familie
Innerhalb der Familie können emotionale Grenzen notwendig sein, um das eigene Wohlbefinden zu schützen. Das bedeutet, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen und nicht ständig für alle Familienmitglieder verfügbar zu sein. Mind UK weist darauf hin, dass das Setzen solcher Grenzen dazu beiträgt, Burnout zu vermeiden und gesunde familiäre Beziehungen aufrechtzuerhalten (Mind UK, 2021).
Freundeskreis
Auch im Freundeskreis ist es wichtig, persönliche Grenzen zu setzen. Dies kann bedeuten, Einladungen abzulehnen, wenn man sich überfordert fühlt, oder Gesprächsthemen zu vermeiden, die emotional belastend sind. Die mhplus Krankenkasse informiert, dass das Erkennen und Kommunizieren eigener Grenzen in sozialen Beziehungen entscheidend ist, um das seelische Wohlbefinden zu schützen und langfristig gesunde Beziehungen zu fördern (mhplus, 2025).

Selbstfürsorge stärken: Das eigene Wohlbefinden im Blick behalten
Selbstfürsorge ist ein aktiver Prozess, bei dem wir bewusst auf unsere körperlichen, emotionalen und psychischen Bedürfnisse achten, um unser Wohlbefinden zu fördern und unsere Resilienz zu stärken. Regelmäßige Selbstfürsorge ist entscheidend, um Stress zu bewältigen und die psychische Gesundheit zu erhalten (APA, 2023). Zu den zentralen Aspekten der Selbstfürsorge gehören ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und das Pflegen sozialer Kontakte. Diese Faktoren tragen dazu bei, das emotionale Gleichgewicht zu stabilisieren und das Risiko für psychische Erkrankungen zu verringern (Mind UK, 2021).
Des Weiteren spielt Achtsamkeit eine wichtige Rolle. Durch das bewusste Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments können wir Stress reduzieren und unsere emotionale Regulation verbessern. Studien zeigen, dass Achtsamkeitspraktiken wie Meditation oder bewusstes Atmen positive Effekte auf die psychische Gesundheit haben (NHS, 2025).
Es ist auch wichtig, sich regelmäßig Zeit für Aktivitäten zu nehmen, die Freude bereiten und entspannen, sei es das Lesen eines Buches, ein Spaziergang in der Natur oder kreative Tätigkeiten. Solche Aktivitäten fördern nicht nur das Wohlbefinden, sondern stärken auch das Selbstwertgefühl und die Lebenszufriedenheit (therapie.de, 2025).
Indem wir Selbstfürsorge in unseren Alltag integrieren, übernehmen wir Verantwortung für unser eigenes Wohlbefinden und schaffen eine solide Grundlage für ein gesundes und erfülltes Leben.

Grenzen setzen als Schlüssel zur psychischen Gesundheit
Das Setzen eigener Grenzen ist ein wichtiger Faktor zur Förderung der psychischen Gesundheit. Indem wir unsere persönlichen Grenzen erkennen und wahren, schützen wir uns vor Überforderung, emotionaler Erschöpfung und dem Verlust des eigenen Selbstwertgefühls. Dies ermöglicht es uns, authentische Beziehungen zu führen und unsere eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Das bewusste Setzen von Grenzen trägt dazu bei, Stress zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das Setzen von Grenzen kein egoistischer Akt ist, sondern ein Ausdruck von Selbstfürsorge und Respekt gegenüber sich selbst und anderen. Klare Grenzen helfen, gesunde Beziehungen zu pflegen und das Risiko von Burnout oder anderen psychischen Krankheiten zu minimieren.
Literatur
- American Psychological Association. (2023). Self-care. https://www.apa.org/research-practice/self-care
- Barth, F. D. (2016). Why Is It Hard to Say “No” and How Can You Get Better at It? Psychology Today. https://www.psychologytoday.com/us/blog/off-the-couch/201601/why-is-it-hard-to-say-no-and-how-can-you-get-better-at-itpsychologytoday.com
- Brown, B. (2010). The Gifts of Imperfection: Let Go of Who You Think You're Supposed to Be and Embrace Who You Are. Hazelden Publishing.
- Burisch, M. (2010). Das Burnout-Syndrom: Theorie der inneren Erschöpfung. Springer. http://ag-psychosoziale-gesundheit.de/bb/pdf/BB_Das_Burnout-Syndrom.pdf
- Gionta, D. A., & Guerra, D. (2015). From Stressed to Centered: A Practical Guide to a Healthier and Happier You.
- Mind UK. (2021). Self-care for mental health problems. https://www.mind.org.uk/information-support/types-of-mental-health-problems/mental-health-problems-introduction/self-care/
- Mind UK. (2021). Top Tips for Setting and Maintaining Boundaries. https://www.mind.org.uk/information-support/tips-for-everyday-living/boundaries/
- mhplus Krankenkasse. (2025). Grenzen setzen: So geht’s. https://www.mhplus-krankenkasse.de/privatkunden/wissen/grenzen-setzen
- Nash, J. (2018). How to Set Healthy Boundaries & Build Positive Relationships. Positive Psychology. https://positivepsychology.com/setting-boundaries/
- Neurolaunch. (2024). The Psychology of Excessive People-Pleasing: Why We Can't Say No. https://neurolaunch.com/inability-to-say-no-psychology/neurolaunch.com
- NHS. (2025). 5 steps to mental wellbeing. https://www.nhs.uk/mental-health/self-help/guides-tools-and-activities/five-steps-to-mental-wellbeing/
- Therapist Aid. (2024). Healthy Boundaries Tips | Worksheet. https://www.therapistaid.com/worksheets/healthy-boundaries-tips.pdf
- World Health Organization (WHO). (2019). Burn-out an occupational phenomenon: International Classification of Diseases 11th Revision (ICD-11). https://www.who.int/news/item/28-05-2019-burn-out-an-occupational-phenomenon-international-classification-of-diseases